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Retrospektive

The Velvet Underground

VonTodd Haynes

Jahr2021

Dauer120min.

Von Haynes‘ bis dato drei Musikfilmen ist dieser der gradlinigste: der vom Streamingdienst Apple TV Plus produzierte Dokumentarfilm über Werden und Vergehen der stilprägenden, experimentellen Rockband The Velvet Underground. Gegründet 1964 in New York City; Basisbesetzung: Lou Reed, John Cale, Maureen Tucker, Sterling Morrison, Doug Yule, auf ihrem Debütalbum ergänzt um die dunkle Stimme von Nico, dem blonden Model aus Deutschland; essenzieller Bestandteil von Andy Warhols sagenumwobener Exploding Plastic Inevitable Show; Quasi-Inventar der Factory im Produktivitätsrausch; nicht wegzudenken aus Underground, Gegenkultur, Avantgarde: Drag und Queerness als künstlerischer Motor.

Erfinder des nächtlichen Sonnenbrillentragens. Riesenegos in drogenbefeuerten Konfliktzonen. 1966 trennt Reed die Band von Warhol, der die erste Platte produziert und das legendäre Bananen-Cover gestaltet hatte. 1968 wirft Reed Cale raus, 1970 schmeisst er selbst hin. Was noch bleibt, löst sich 1973 auf, und was folgt, fängt Haynes im Schnelldurchlauf in einer Collage aus Fotos und Plattencovern ein. Zu Wort kommen unter anderem Cale, Tucker, Mary Woronov, Amy Taubin, Jonathan Richman und und und …

Die unbestreitbare Schönheit dieses Films liegt im von Haynes mit sicherer Hand geordneten Originalmaterial, dessen Überfülle den vielfachen Einsatz der Splitscreen bedingt. Deren rhythmische Wechsel greifen nun nicht nur die zu Gehör gebrachte Musik formal auf, sie schaffen auch immer wieder schlüssige Kontraste; wenn etwa in dem einen Frame einer der berühmten Warhol’schen Screen Tests das ehern unbewegte Gesicht Lou Reeds zeigt, und im anderen eine der tobenden In-Kamera-Montagen Jonas Mekas‘ das seinerzeit herrschende Kreativchaos einfängt, und in der Zusammenschau sich eine Radikalität ausdrückt, die als patziger Appell ans Heute nicht fehlinterpretiert ist.

(Text: Alexandra Seitz)