Dunkirk
Das Ticken, das man im Verlauf des Films immer wieder hört, stammt von der Taschenuhr des Regisseurs. Leise, aber dringlich gibt das Geräusch dessen Rhythmus vor. Es beginnt in den Straßen von Dünkirchen, wo versprengte britische Soldaten vor den MG-Salven der Wehrmacht fliehen, setzt sich fort am Strand, wo die britischen Truppen sich unter heftigem Beschuss zur Evakuierung formieren, und hört nicht auf, als an der Heimatfront Rettungsschiffe in See stechen.
Die erzählerische Uhr des Films tickt freilich in drei verschiedenen Tempi. Die erzählte Zeit am Strand umfasst eine Woche, die Rettung per Schiff dauert einen Tag und die Staffel der Air Force hat nur Treibstoff für eine Stunde, um die Messerschmitt und Heinkel abzuschießen, die den Briten schlimmste Verluste beibringen. Es ist schlichtweg genial, wie nahtlos Christopher Nolans bewährter Editor Lee Smith die disparaten Zeitstränge jeweils zueinander aufschließen lässt. Allerdings ist das Filmemachen das einzige Kommandounternehmen, das in „Dunkirk“ reibungslos funktioniert.
Nolan macht keinen Hehl daraus, dass Dünkirchen ein Debakel war. Die Deutschen decken den Strand unaufhörlich mit Bombardements ein, versenken ein Schiff nach dem anderen und verteidigen ihre Lufthoheit um jeden Preis. Die Hoffnung schwindet täglich/stündlich/minütlich an den verschiedenen Schauplätzen. Aber Aufgeben gilt an keinem von ihnen. Das Ziel ist klar. Kenneth Branagh benennt es als Navy-Kommandeur, der bis zum Schluss (und darüber hinaus) auf seinem Posten bleiben wird, im schönsten Dialogsatz des Films. Er besteht aus einem Wort: „Home.“
Jeder leistet seinen Beitrag, und mag die Lage noch so aussichtslos sein. Hier ist bereits das Überleben, das Nolan immersiv miterleben lässt, heroisch. Danach kann der Kampf gegen den Faschismus weitergehen. Was eine militärische Niederlage sein mag, ist ein Sieg der Zivilgesellschaft: all die privaten Segelyachten, die aufbrechen, um so viele Leben wie möglich zu retten! Der handelsübliche Triumphalismus des Blockbusterkinos liegt „Dunkirk“ fern. Aber das unverhoffte Gelingen ist ihm unendlich teuer.