Canale Grande
Ein geheimes Meisterwerk des Austro-Kinos und ein Musterbeispiel von Film als subversiver Kunst. Zur Eröffnung wird ein TV-Bildschirm schwarz übermalt: Im Geist der Protagonistin (von Pezold selbst gespielt) glitzert schon die Idee eines alternativen Mediums. Ihr »Radio Freies Utopia« soll Fernsehen durch »Nahsehen« ersetzen, »weil unpersönlich ist heute eh schon alles«. Frechheit siegt! Friederikes Wohnzimmer wird zum Heimstu-dio, wo utopische Fantasien umgesetzt werden: Ein Mann bringt ein Baby zur Welt, statt Testbild-Ereignislosigkeit gibt es absurde Performancefestspiele (»Nixen beim Wixen«) und in einer Art Grabstein-TV wird sogar über das Leben nach dem Tod berichtet. Canale Grande verblüfft mit immer neuen Inszenierungsideen und agitiert gegen die Gleichschal-tung der Medien und die »Scheiße«, mit der sie das Publikum berieseln: »Macht euren eigenen Scheiß!« Das Visionäre von Pezolds verschmitzt-anarchischem Vorschlag ist in Internetzeiten noch augenfälliger geworden. (Christoph Huber)
Julia Franz Richter liest aus der unveröffentlichten Autobiografie von Friederike Pezold
Foto: Österreichisches Filmmuseum