Frankreich, wir kommen!
»Der ganze Käse hat noch net einmal angefangen und ich bin jetzt schon ganz fertig«, sagt der österreichische Sportjournalist Johann Skocek, noch bevor der Anpfiff zur Fußball-WM 1998 erfolgt ist. »Ein Drama in drei Akten« nennt sich Michael Glawoggers hin-reißende Dokumentation Frankreich, wir kommen! im Untertitel, und der relativ kurze WM-Einsatz des österreichischen Nationalteams (schwerer Spoiler: nach den Vorrunden-spielen gegen Kamerun, Chile und Italien fuhr man auch gleich wieder heim) wird von Skocek mit gewitzten Analysen begleitet, während Glawogger das Fußballfieber aus der Perspektive einiger handverlesener Fans schildert, etwa eines Bankrevisors, der mit sei-ner Mutter um die 100 Spiele im Jahr besucht, eines Pensionisten mit Hang zum Alkoholismus, der nach jedem Match am Grab seines Vaters vom Verlauf berichtet und – am bewegendsten und für den glawoggerischen Zugang am charakteristischsten – eines Blinden, dem nichtsdestotrotz kein Detail des Spielverlaufs zu entgehen scheint. Kontinente umspannende Schnitte auf die Fan-Reaktionen in den anderen Ländern während der Live-Übertragungen offenbaren gigantische Mentalitätsdifferenzen. Als Liebeserklärung an den Fußball ist Frankreich, wir kommen! unerreicht, dabei keineswegs unkritisch. Mit lakonischem Humor offenbart sich auch eine typisch österreichische Haltung, die noch im Angesicht der Verzweiflung Hoffnung schöpft. Dazu spielt die Creedence Clearwater Re-vival »As Long As I Can See the Light«. (Christoph Huber)
Foto: Österreichisches Filmmuseum